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Version: "Suchtpolitik statt Suchtmittelpolitik"

Suchtpolitik

Präambel

Heute sind viele psychoaktive Substanzen verboten, was dazu führt, dass harmlose Freizeitkiffer kriminalisiert werden, Justiz und Polizei mit Drogendelikten beschäftigt sind, und die organisierte Kriminalität Milliarden umsetzt. Eine vernünftige Drogenpolitik muss bei den vier Pfeilern Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression auf Verhältnismässigkeit achten. In der aktuellen Politik werden die Möglichkeiten einer liberalen Regelung nicht ausgeschöpft. Dieser Zustand ist unserer Meinung nach unhaltbar. Deshalb fordern wir eine liberalere Drogenpolitik mit dem Ziel die Freiheit zu erhöhen und die Kriminalität zu senken ohne eine Zunahme der Schwerstabhängigen oder des Drogenkonsums Jugendlicher zu bewirken.

Inhaltliche Darlegung

Die vier Säulen der Drogenpolitik, Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression, sind in einer liberalen Gesellschaft nur verhältnismässig, wenn sie den gesellschaftlichen Wandel reflektieren. Im folgenden versuchen wir Vorschläge in drei Aspekten von Drogenpolitik zu unterbreiten, um diesem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen.

Typisierung nach Härtegrad

Die Vorstellung, dass sich Suchtmittel kategorisch in gesellschaftlich akzeptierte Konsumgüter und geächtete Drogen einteilen lassen, ist veraltet. Die Legalität verschiedener Suchtmittel hat nur noch wenig mit der gesellschaftlichen Realität bezüglich Suchtpotenzial, direkter und indirekter Gesundheitsgefährdung und tatsächlichem Konsum zu tun. Eine differenzierte Typisierung von Suchtmittels mit entsprechender Regelung ist notwendig.

Weiche Drogen

Der Besitz und Privatkonsum, sowie der Anbau und die Herstellung zum Eigengebrauch, weicher Drogen, insbesondere von Marihuana, soll legalisiert werden. Einfuhr, gewerbsmässiger Anbau, Herstellung und Handel sollen durch Gesetze reglementiert werden, wie dies Heute bereits bei Alkohol der Fall ist. Dabei soll insbesondere dem Jugendschutz Rechnung getragen werden.

Partydrogen und halluzinogene Drogen

Partydrogen und halluzinogene Drogen mit möglichst geringen Gesundheitsrisiken sollen an entsprechenden Anlässen, die nur Erwachsenen zugänglich sind, verkauft und konsumiert werden dürfen. Dazu sollen Regeln für den sicheren Genuss dieser Substanzen erlassen werden, die beispielsweise die Anwesenheit eines Arztes vorschreiben können. Einfuhr, Produktion und Handel mit diesen Substanzen soll lizenzierten und staatlich kontrollierten Unternehmen vorbehalten bleiben.

Harte Drogen

Harte Drogen wie Kokain und Heroin sollen als verschreibungspflichtige Substanzen behandelt werden, und nur gegen Rezept an Süchtige abgegeben werden. Die kontrollierte Drogenabgabe dient primär der Schadensminderung, weil eine Gesundheitsgefährdung durch illegal beschaffte Suchtmittel, die vergleichbar mit gefälschten Medikamenten keinerlei Qualitätsgarantien haben, gemindert wird. Die Gesundheit von Suchtmittelabhängigen ist ein Rechtsgut, das bei der Verhältnismässigkeitsprüfung von Repression bisher vernachlässigt wurde. Auch nicht vergessen werden dürfen die Gesundheitskosten, die durch Behandlungen infolge der Einnahme verschmutzter Suchtmittel entstehen.

Andere Süchte

Andere Süchte, beispielsweise nach Video- oder Glücksspielen, dem surfen im Internet oder anderen psychoaktiven Substanzen, die kein direktes körperliches Gefährdungspotential haben, sollen im Rahmen von Präventiv- und Schadenbegrenzungskampagnen angegangen werden. Verbote und andere Repressionsmassnahmen sind aber abzulehnen.

Freie Entscheidungen gegen die Sucht

Eine liberale Gesellschaft versucht so weit wie möglich Mechanismen der individuellen Entscheidungsfindung zur Reglementierung von gesellschaftlich unerwünschten Handlungen einzusetzen. Ein Individuum soll sich unter gesellschaftlichen Rahmenbedingungen freiwillig zu einen konformen Verhalten entscheiden. Der Mensch soll nicht das Gefühl haben durch Zwänge und Verbote gelenkt zu sein. Viel mehr sollen Entscheidungen auf Grund von individuellen Kosten-Nutzen Überlegungen getroffen werden. Gerade in der Drogentherapie ist die bewusste Entscheidung des Süchtigen aufzuhören sehr viel effektiver als ein Zwang zu Abstinenz. Insofern müssen die Faktoren gestärkt werden, die einem Individuum zum freiwilligen Entscheid gegen den Konsum von Suchtmitteln verhelfen. Im Folgenden zeigen wir gesellschaftliche Mechanismen zur Stärkung individueller Entscheidungskompetenzen auf, die zu einem freiwilligen Verzicht auf Suchtmittel beitragen.

Zerschlagung des Wirkungskreises Drogensucht-Kriminalität

Jede Sucht ist eine selbst verstärkende Rückkopplung, das heisst die Suchthandlung führt direkt oder indirekt zu einer Verstärkung des Bedürfnisses diese Handlung zu wiederholen. Bei Drogensucht ist der Teufelskreis im Zusammenhang mit Kriminalität besonders verheerend. Drogensucht und Kriminalität bedingen sich gegenseitig. Aus Drogensucht entsteht Kriminalität und aus Kriminalität entsteht Drogensucht. Diese ausweglose Situation ist eine entscheidendes Problem beim Versuch von Süchtigen sich gegen Drogen zu entscheiden. Die Legalisierung von Suchtmitteln unter Rahmenbedingungen kann diesen Wirkungskreis zerschlagen.

Austrocknung des Drogensumpfes

Der Zusammenhang von Drogensucht und Kriminalität ist nicht nur individuell zu betrachten, sondern auch was organisierte Kriminalität betrifft. Die Illegalität von Suchtmitteln macht es dem Organisierten Verbrechen erst möglich daraus ein kriminelles Handelsgut zu machen. Sie profitieren von Illegalitätsrenten, die vergleichbar mit Monopolrenten dem Inhaber einer strukturellen Marktposition erhebliche Profite garantieren. Ein historisches Beispiel ist die Prohibition in den USA der 20er Jahre, wo das Verbot des Alkoholkonsums einem gewissen Al Capone zu Millionen und einem zweifelhaften Weltruhm verholfen hat. Dieser Effekt der Illegalitätsrente, die es der Organisierte Kriminalität gleichsam ökonomischen Akteuren ermöglicht einen eigenen Markt zu schaffen und zu besetzten, hat für das Individuum furchtbare Folgen. Nicht um sonst spricht mach von „abhängigen“ Kunden als den sichersten Kunden. Die Organisierte Kriminalität nützt ihre Marktposition aus, um den Abhängigen eine Entscheidung gegen die Droge zu verwehren. Die Legalisierung von Suchtmitteln und der Aufbau eines staatlich reglementierten Marktes bringt die Illegalitätsrente zum verschwinden. Ökonomisch, und die Organisierte Kriminalität ist in dieser Hinsicht ein ökonomisch orientierter Akteur, macht Drogenkriminalität keinen Sinn.

Liberalisierung durch reglementierten Markt

Es stellt sich die Frage, wie der Staat den Umgang mit Suchtmitteln organisieren soll, wenn grundsätzlich von einem legalen Konsum ausgegangen werden soll. Sicher ist die absolute Legalisierung keine Option. Den Umgang mit weichen Drogen marktwirtschaftlich zu regeln ist heikel, da ein Marktversagen droht. Es müssen also strikte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hierbei geht es vor allem um die staatliche Kontrolle des Marktes, was für Qualität und Transparenz sorgen soll. Der staatlich regulierte Suchtmittelverkauf muss die Qualität im Sinne einer Gesundheitsgefährdung sicher stellen. Vergleichbar mit dem Verkauf von Tabak und Alkohol müssen Standards zu Produktion und Verkauf definiert werden. Hierbei darf der Jugendschutz nicht vergessen werden. Was die Transparenz betrifft, müssen dem Konsumenten die Kosten und Konsequenzen unübersehbar aufgezeigt werden. Gut informiert zu sein ist die Grundlage für eine frei und vernünftige Entscheidung und das ist das Ziel einer effektiven Drogenprävention. Deshalb schliessen sich Drogenprävention und eine staatlich regulierte Suchtmittelmarkt nicht gegenseitig aus. Für harte Drogen ist eine staatlich organisierte Drogenabgabe vorzuziehen. Wie bei verschreibungspflichtigen Substanzen muss die Abgabe ärztlich kontrolliert sein.

Schadensminderung durch Entstigmatisierung

Die moralische Gleichsetzung von weichen und harten Drogen hat zur Folge, dass es unmöglich ist für spezifische Suchtprobleme je nach Situation Lösungen zu finden. Zu oft kommt die Forderung nach der vollen Härte des Gesetzes mit dem Aufruf den Anfängen zu wehren. Es mag der politischen Profilierung dienen auf „Law and Order“ zu pochen, doch ist es nicht Lösungsorientiert. Viel mehr hat es eine Stigmatisierung zur Folge, die die individuelle Suchtproblematik noch verstärkt. Die gesellschaftliche Ächtung eines Konsumenten weicher Drogen beschleunigt die Abwärtsspirale in die Sucht und vergrössert die Gefahr zu harten Drogen zu greifen. Eine Entstigmatisierung der Sucht und das Verständnis, dass es sich dabei um eine Krankheit handelt, wirken schadensmindernd und erhöhen die Chance für eine Therapie.

Sucht ist eine Krankheit, kein moralischer Makel

Die Entstigmatisierung der Sucht ist in erster Linie keine politische sondern eine gesellschaftliches Forderung. Politisch kann dies unterstützt werden, indem staatliche Massnahmen der Drogenpolitik auf ihre stigmatisierende Wirkung geprüft werden. Es muss vermieden werden, dass präventive Kampagnen, Therapieangebote, Projekte zur Schadensminderung und besonders repressive Massnahmen, Sucht als einen moralischen Makel darstellen. In der Praxis findet dieser Grundsatz bereits Anwendung, wie aus dem dritten Massnahmenpaket des Bundes zur Verminderung des Drogenproblems (MaPaDroIII) zu ersehen ist. Nun muss noch die Politik zur Kenntnis nehmen, dass die Entstigmatisierung der Sucht einen wichtigen Beitrag zur Drogenpolitik leisten kann. Rhetorische Äusserungen wie „Kampf den Drogen“ oder „Krieg gegen die Drogen“ mögen die militärische Entschlossenheit demonstrieren, aber einen Beitrag zur Lösung des Drogenproblems bieten sie nicht.

Suchtmittelkonsum im öffentlichen Raum

Dennoch darf nicht ignoriert werden, dass grosse Teile der Bevölkerung nicht mit dem Konsum oder den Folgen von Suchtmitteln konfrontiert werden wollen. Was für Alkohol gilt, muss auch für andere Suchtmittel gelten, die die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen. Das Führen eines Fahrzeuges unter Drogeneinfluss ist strikt zu ahnden. Hierfür müssen präzise Tests entwickelt werden, die feststellen können, ob eine Person akut unter Drogeneinfluss steht. Der Konsum von den heutzutage sogenannten weichen Drogen soll hierbei in der Öffentlichkeit unter den gleichen Auflagen möglich sein wie der von Alkohol oder Zigaretten, der öffentliche Konsum aller anderen psychotropen Substanzen mit einer Ordnungsbusse belegt werden.

Zusammenfassung

Die oben dargelegte Drogenpolitik verfolgt zwei Hauptziele: Die Stärkung der Freiheit des einzelnen in Entscheidungen, die praktisch ausschliesslich für diese Person Konsequenzen haben und die Reduktion der Kriminalität. Wir sind der Meinung, dass mündige Personen selber entscheiden sollten, welche Substanzen sie ihrem Körper zuführen. Wir sehen die Gefahren einzelner Substanzen, wollen aber die staatlichen Eingriffe in die Handlungsfreiheit des Einzelnen möglichst klein halten. Deswegen sollen nur die gefährlichsten Drogen unzugänglich sein. Da wir aber auch von der ärztlich kontrollierten Abgabe dieser Drogen zu Therapiezwecken überzeugt sind, ist es naheliegend diese als verschreibungspflichtige Substanzen einzustufen. Die Kriminalität rund um Drogen hat zwei Seiten: Die Beschaffungskriminalität der Drogensüchtigen und Handel durch die organisierte Kriminalität. Mit der Teillegalisierung entziehen wir beidem die Grundlage. Schwerstabhängige können sich gegen ein Rezept ihre Drogen zu einem fairen Preis in der Apotheke besorgen, ohne dafür stehlen, rauben oder dealen zu müssen. Die organisierte Kriminalität wird das Interesse am Drogengeschäft verlieren, wenn sich nur noch wenig Geld verdienen lässt. Beides macht unsere Strassen sicherer uns spart Strafverfolgungs- und Gerichts- und Gefängniskosten. Wir wollen aber auch nicht ausser Acht lassen, dass Drogen für Kinder und Jugendliche ungeeignet sind und diesen daher den Zugang verwehren. Wenngleich der Jugendschutz im Alkoholverkauf nicht perfekt ist, so ist er unseres Erachtens nach das bessere Mittel als die Prohibition.

Einzelnachweise

Simone Ledermann, lic. rer. soc./ Prof. Dr. Fritz Sager (2006): Die Drogenpolitik der Schweiz (MaPaDro III), Bern: Bundesamt für Gesundheit (BAG). Online: http://www.bag.admin.ch/shop/00035/00204/index.html?lang=de

Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (2006): Von der Politik der illegalen Drogen zur Politik der psychoaktiven Substanzen, Bern: Verlag Hans Huber.

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 # SuchtmittelpolitikSuchtpolitik
2 ## Präambel
3 Heute sind viele psychoaktive Substanzen verboten, was dazu
4 führt, dass harmlose Freizeitkiffer kriminalisiert werden,
5 Justiz und Polizei mit Drogendelikten beschäftigt sind, und
6 die organisierte Kriminalität Milliarden umsetzt. Eine
7 vernünftige Drogenpolitik muss bei den vier Pfeilern
8 Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression auf
9 Verhältnismässigkeit achten. In der aktuellen Politik
10 werden die Möglichkeiten einer liberalen Regelung nicht
11 ausgeschöpft. Dieser Zustand ist unserer Meinung nach
12 unhaltbar. Deshalb fordern wir eine liberalere
13 Drogenpolitik mit dem Ziel die Freiheit zu erhöhen und die
14 Kriminalität zu senken ohne eine Zunahme der
15 Schwerstabhängigen oder des Drogenkonsums Jugendlicher zu
16 bewirken.
17 ## Inhaltliche Darlegung
18 Die vier Säulen der Drogenpolitik, Prävention, Therapie,
19 Schadensminderung und Repression, sind in einer liberalen
20 Gesellschaft nur verhältnismässig, wenn sie den
21 gesellschaftlichen Wandel reflektieren. Im folgenden
22 versuchen wir Vorschläge in drei Aspekten von Drogenpolitik
23 zu unterbreiten, um diesem gesellschaftlichen Wandel
24 Rechnung zu tragen.
25 ## Typisierung nach Härtegrad
26 Die Vorstellung, dass sich Suchtmittel kategorisch in
27 gesellschaftlich akzeptierte Konsumgüter und geächtete
28 Drogen einteilen lassen, ist veraltet. Die Legalität
29 verschiedener Suchtmittel hat nur noch wenig mit der
30 gesellschaftlichen Realität bezüglich Suchtpotenzial,
31 direkter und indirekter Gesundheitsgefährdung und
32 tatsächlichem Konsum zu tun. Eine differenzierte
33 Typisierung von Suchtmittels mit entsprechender Regelung
34 ist notwendig.
35 ### Weiche Drogen
36 Der Besitz und Privatkonsum, sowie der Anbau und die
37 Herstellung zum Eigengebrauch, weicher Drogen, insbesondere
38 von Marihuana, soll legalisiert werden. Einfuhr,
39 gewerbsmässiger Anbau, Herstellung und Handel sollen durch
40 Gesetze reglementiert werden, wie dies Heute bereits bei
41 Alkohol der Fall ist. Dabei soll insbesondere dem
42 Jugendschutz Rechnung getragen werden.
43 ### Partydrogen und halluzinogene Drogen
44 Partydrogen und halluzinogene Drogen mit möglichst geringen
45 Gesundheitsrisiken sollen an entsprechenden Anlässen, die
46 nur Erwachsenen zugänglich sind, verkauft und konsumiert
47 werden dürfen. Dazu sollen Regeln für den sicheren Genuss
48 dieser Substanzen erlassen werden, die beispielsweise die
49 Anwesenheit eines Arztes vorschreiben können. Einfuhr,
50 Produktion und Handel mit diesen Substanzen soll
51 lizenzierten und staatlich kontrollierten Unternehmen
52 vorbehalten bleiben.
53 ### Harte Drogen
54 Harte Drogen wie Kokain und Heroin sollen als
55 verschreibungspflichtige Substanzen behandelt werden, und
56 nur gegen Rezept an Süchtige abgegeben werden. Die
57 kontrollierte Drogenabgabe dient primär der
58 Schadensminderung, weil eine Gesundheitsgefährdung durch
59 illegal beschaffte Suchtmittel, die vergleichbar mit
60 gefälschten Medikamenten keinerlei Qualitätsgarantien
61 haben, gemindert wird. Die Gesundheit von
62 Suchtmittelabhängigen ist ein Rechtsgut, das bei der
63 Verhältnismässigkeitsprüfung von Repression bisher
64 vernachlässigt wurde. Auch nicht vergessen werden dürfen
65 die Gesundheitskosten, die durch Behandlungen infolge der
66 Einnahme verschmutzter Suchtmittel entstehen.
67 ### Andere Süchte
68 Andere Süchte, beispielsweise nach Video- oder
69 Glücksspielen, dem surfen im Internet oder anderen
70 psychoaktiven Substanzen, die kein direktes körperliches
71 Gefährdungspotential haben, sollen im Rahmen von Präventiv-
72 und Schadenbegrenzungskampagnen angegangen werden. Verbote
73 und andere Repressionsmassnahmen sind aber abzulehnen.
74 ## Freie Entscheidungen gegen die Sucht
75 Eine liberale Gesellschaft versucht so weit wie möglich
76 Mechanismen der individuellen Entscheidungsfindung zur
77 Reglementierung von gesellschaftlich unerwünschten
78 Handlungen einzusetzen. Ein Individuum soll sich unter
79 gesellschaftlichen Rahmenbedingungen freiwillig zu einen
80 konformen Verhalten entscheiden. Der Mensch soll nicht das
81 Gefühl haben durch Zwänge und Verbote gelenkt zu sein. Viel
82 mehr sollen Entscheidungen auf Grund von individuellen
83 Kosten-Nutzen Überlegungen getroffen werden. Gerade in der
84 Drogentherapie ist die bewusste Entscheidung des Süchtigen
85 aufzuhören sehr viel effektiver als ein Zwang zu Abstinenz.
86 Insofern müssen die Faktoren gestärkt werden, die einem
87 Individuum zum freiwilligen Entscheid gegen den Konsum von
88 Suchtmitteln verhelfen. Im Folgenden zeigen wir
89 gesellschaftliche Mechanismen zur Stärkung individueller
90 Entscheidungskompetenzen auf, die zu einem freiwilligen
91 Verzicht auf Suchtmittel beitragen.
92 ### Zerschlagung des Wirkungskreises
93 Drogensucht-Kriminalität
94 Jede Sucht ist eine selbst verstärkende Rückkopplung, das
95 heisst die Suchthandlung führt direkt oder indirekt zu
96 einer Verstärkung des Bedürfnisses diese Handlung zu
97 wiederholen. Bei Drogensucht ist der Teufelskreis im
98 Zusammenhang mit Kriminalität besonders verheerend.
99 Drogensucht und Kriminalität bedingen sich gegenseitig. Aus
100 Drogensucht entsteht Kriminalität und aus Kriminalität
101 entsteht Drogensucht. Diese ausweglose Situation ist eine
102 entscheidendes Problem beim Versuch von Süchtigen sich
103 gegen Drogen zu entscheiden. Die Legalisierung von
104 Suchtmitteln unter Rahmenbedingungen kann diesen
105 Wirkungskreis zerschlagen.
106 ### Austrocknung des Drogensumpfes
107 Der Zusammenhang von Drogensucht und Kriminalität ist nicht
108 nur individuell zu betrachten, sondern auch was
109 organisierte Kriminalität betrifft. Die Illegalität von
110 Suchtmitteln macht es dem Organisierten Verbrechen erst
111 möglich daraus ein kriminelles Handelsgut zu machen. Sie
112 profitieren von Illegalitätsrenten, die vergleichbar mit
113 Monopolrenten dem Inhaber einer strukturellen Marktposition
114 erhebliche Profite garantieren. Ein historisches Beispiel
115 ist die Prohibition in den USA der 20er Jahre, wo das
116 Verbot des Alkoholkonsums einem gewissen Al Capone zu
117 Millionen und einem zweifelhaften Weltruhm verholfen hat.
118 Dieser Effekt der Illegalitätsrente, die es der
119 Organisierte Kriminalität gleichsam ökonomischen Akteuren
120 ermöglicht einen eigenen Markt zu schaffen und zu
121 besetzten, hat für das Individuum furchtbare Folgen. Nicht
122 um sonst spricht mach von „abhängigen“ Kunden als den
123 sichersten Kunden. Die Organisierte Kriminalität nützt ihre
124 Marktposition aus, um den Abhängigen eine Entscheidung
125 gegen die Droge zu verwehren. Die Legalisierung von
126 Suchtmitteln und der Aufbau eines staatlich reglementierten
127 Marktes bringt die Illegalitätsrente zum verschwinden.
128 Ökonomisch, und die Organisierte Kriminalität ist in dieser
129 Hinsicht ein ökonomisch orientierter Akteur, macht
130 Drogenkriminalität keinen Sinn.
131 ### Liberalisierung durch reglementierten Markt
132 Es stellt sich die Frage, wie der Staat den Umgang mit
133 Suchtmitteln organisieren soll, wenn grundsätzlich von
134 einem legalen Konsum ausgegangen werden soll. Sicher ist
135 die absolute Legalisierung keine Option. Den Umgang mit
136 weichen Drogen marktwirtschaftlich zu regeln ist heikel, da
137 ein Marktversagen droht. Es müssen also strikte
138 Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hierbei geht es vor
139 allem um die staatliche Kontrolle des Marktes, was für
140 Qualität und Transparenz sorgen soll. Der staatlich
141 regulierte Suchtmittelverkauf muss die Qualität im Sinne
142 einer Gesundheitsgefährdung sicher stellen. Vergleichbar
143 mit dem Verkauf von Tabak und Alkohol müssen Standards zu
144 Produktion und Verkauf definiert werden. Hierbei darf der
145 Jugendschutz nicht vergessen werden. Was die Transparenz
146 betrifft, müssen dem Konsumenten die Kosten und
147 Konsequenzen unübersehbar aufgezeigt werden. Gut informiert
148 zu sein ist die Grundlage für eine frei und vernünftige
149 Entscheidung und das ist das Ziel einer effektiven
150 Drogenprävention. Deshalb schliessen sich Drogenprävention
151 und eine staatlich regulierte Suchtmittelmarkt nicht
152 gegenseitig aus. Für harte Drogen ist eine staatlich
153 organisierte Drogenabgabe vorzuziehen. Wie bei
154 verschreibungspflichtigen Substanzen muss die Abgabe
155 ärztlich kontrolliert sein.
156 ### Schadensminderung durch Entstigmatisierung
157 Die moralische Gleichsetzung von weichen und harten Drogen
158 hat zur Folge, dass es unmöglich ist für spezifische
159 Suchtprobleme je nach Situation Lösungen zu finden. Zu oft
160 kommt die Forderung nach der vollen Härte des Gesetzes mit
161 dem Aufruf den Anfängen zu wehren. Es mag der politischen
162 Profilierung dienen auf „Law and Order“ zu pochen, doch ist
163 es nicht Lösungsorientiert. Viel mehr hat es eine
164 Stigmatisierung zur Folge, die die individuelle
165 Suchtproblematik noch verstärkt. Die gesellschaftliche
166 Ächtung eines Konsumenten weicher Drogen beschleunigt die
167 Abwärtsspirale in die Sucht und vergrössert die Gefahr zu
168 harten Drogen zu greifen. Eine Entstigmatisierung der Sucht
169 und das Verständnis, dass es sich dabei um eine Krankheit
170 handelt, wirken schadensmindernd und erhöhen die Chance für
171 eine Therapie.
172 ### Sucht ist eine Krankheit, kein moralischer Makel
173 Die Entstigmatisierung der Sucht ist in erster Linie keine
174 politische sondern eine gesellschaftliches Forderung.
175 Politisch kann dies unterstützt werden, indem staatliche
176 Massnahmen der Drogenpolitik auf ihre stigmatisierende
177 Wirkung geprüft werden. Es muss vermieden werden, dass
178 präventive Kampagnen, Therapieangebote, Projekte zur
179 Schadensminderung und besonders repressive Massnahmen,
180 Sucht als einen moralischen Makel darstellen. In der Praxis
181 findet dieser Grundsatz bereits Anwendung, wie aus dem
182 dritten Massnahmenpaket des Bundes zur Verminderung des
183 Drogenproblems (MaPaDroIII) zu ersehen ist. Nun muss noch
184 die Politik zur Kenntnis nehmen, dass die
185 Entstigmatisierung der Sucht einen wichtigen Beitrag zur
186 Drogenpolitik leisten kann. Rhetorische Äusserungen wie
187 „Kampf den Drogen“ oder „Krieg gegen die Drogen“ mögen die
188 militärische Entschlossenheit demonstrieren, aber einen
189 Beitrag zur Lösung des Drogenproblems bieten sie nicht.
190 ### Suchtmittelkonsum im öffentlichen Raum
191 Dennoch darf nicht ignoriert werden, dass grosse Teile der
192 Bevölkerung nicht mit dem Konsum oder den Folgen von
193 Suchtmitteln konfrontiert werden wollen. Was für Alkohol
194 gilt, muss auch für andere Suchtmittel gelten, die die
195 kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen. Das Führen eines
196 Fahrzeuges unter Drogeneinfluss ist strikt zu ahnden.
197 Hierfür müssen präzise Tests entwickelt werden, die
198 feststellen können, ob eine Person akut unter
199 Drogeneinfluss steht. Der Konsum von den heutzutage
200 sogenannten weichen Drogen soll hierbei in der
201 Öffentlichkeit unter den gleichen Auflagen möglich sein wie
202 der von Alkohol oder Zigaretten, der öffentliche Konsum
203 aller anderen psychotropen Substanzen mit einer
204 Ordnungsbusse belegt werden.
205 ## Zusammenfassung
206 Die oben dargelegte Drogenpolitik verfolgt zwei Hauptziele:
207 Die Stärkung der Freiheit des einzelnen in Entscheidungen,
208 die praktisch ausschliesslich für diese Person Konsequenzen
209 haben und die Reduktion der Kriminalität. Wir sind der
210 Meinung, dass mündige Personen selber entscheiden sollten,
211 welche Substanzen sie ihrem Körper zuführen. Wir sehen die
212 Gefahren einzelner Substanzen, wollen aber die staatlichen
213 Eingriffe in die Handlungsfreiheit des Einzelnen möglichst
214 klein halten. Deswegen sollen nur die gefährlichsten Drogen
215 unzugänglich sein. Da wir aber auch von der ärztlich
216 kontrollierten Abgabe dieser Drogen zu Therapiezwecken
217 überzeugt sind, ist es naheliegend diese als
218 verschreibungspflichtige Substanzen einzustufen. Die
219 Kriminalität rund um Drogen hat zwei Seiten: Die
220 Beschaffungskriminalität der Drogensüchtigen und Handel
221 durch die organisierte Kriminalität. Mit der
222 Teillegalisierung entziehen wir beidem die Grundlage.
223 Schwerstabhängige können sich gegen ein Rezept ihre Drogen
224 zu einem fairen Preis in der Apotheke besorgen, ohne dafür
225 stehlen, rauben oder dealen zu müssen. Die organisierte
226 Kriminalität wird das Interesse am Drogengeschäft
227 verlieren, wenn sich nur noch wenig Geld verdienen lässt.
228 Beides macht unsere Strassen sicherer uns spart
229 Strafverfolgungs- und Gerichts- und Gefängniskosten. Wir
230 wollen aber auch nicht ausser Acht lassen, dass Drogen für
231 Kinder und Jugendliche ungeeignet sind und diesen daher den
232 Zugang verwehren. Wenngleich der Jugendschutz im
233 Alkoholverkauf nicht perfekt ist, so ist er unseres
234 Erachtens nach das bessere Mittel als die Prohibition.
235 ## Einzelnachweise
236 Simone Ledermann, lic. rer. soc./ Prof. Dr. Fritz Sager
237 (2006): Die Drogenpolitik der Schweiz (MaPaDro III), Bern:
238 Bundesamt für Gesundheit (BAG). Online:
239 http://www.bag.admin.ch/shop/00035/00204/index.html?lang=de
240
241 Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (2006): Von der
242 Politik der illegalen Drogen zur Politik der psychoaktiven
243 Substanzen, Bern: Verlag Hans Huber.
Bisher wurden keine Argumente hinzugefügt.

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